Unser Vorstandsmitglied Stefan Zitzmann erklärt, warum die Situation aus seiner Perspektive so fatal ist.
Wer denkt, dass die Preise in der Gastronomie mit Beginn des neuen Jahres um lediglich 12% auf Speisen steigen, irrt gewaltig! Manchmal erschrecke ich selbst vor meinen eigenen Preisen - und sehe in äquivalenten Bars gleicher Qualität und Größe doch nichts anderes: preislich sind wir alle recht nah beieinander.
Nun ist es keineswegs so, dass wir Gastronomen uns (wie gerne unterstellt) die Taschen vollstopfen. Nominell steigen die Umsätze zwar von Jahr zu Jahr, so aber auch unsere Einkaufs- und sonstigen Kosten: die Marge schrumpft und das Ergebnis, also das, was vor Steuern am Ende des Jahres übrig bleibt, ist in den meisten Betrieben (trotz hoher Auslastung) sogar rückläufig.
Bitter, denn es kam wie es nicht anders kommen konnte: die Branche befindet sich in einem soliden Kreislauf des Todes. Was wir aktuell erleben ist, um es mit Gabriel Garcia Marquez zu sagen, die Chronik eines angekündigten Todes. Wir sind mittendrin, Teil des Ganzen, und am Ende vielleicht selbst Opfer.
Die Gleichung ist ganz einfach:
Höhere Löhne => höhere Verkaufspreise.
Höhere Mehrwertsteuer => höhere Verkaufspreise.
Verdoppelte Mautgebühren für LKWs => höhere Verkaufspreise.
Höhere CO2-Abgaben auf fossile Brennstoffe => höhere Verkaufspreise.
Diese Reihe ließe sich noch um einige weitere Punkte, wie z.B. die steigenden kommunalen Abgaben ergänzen.
Der Gewinn in der Gastronomie unterscheidet sich nach Art des Betriebs. In der klassischen Speise-Gastronomie sind Gewinne von gerade einmal 3-5% des Umsatzes eher die Regel, als die Ausnahme. Bei Cafés und vor allem Eiscafés sieht die Spanne besser aus: bei letzteren bis zu 30%.
3-5% lassen keinen Spielraum, die gestiegenen Kosten selbst zu kompensieren und nicht an die Gäste weiterzugeben. Nun ist es aber so, dass es einen Peak gibt, einen Punkt / Preis, den der Gast nicht mehr bereit ist zu zahlen - oder es schlichtweg nicht mehr kann - trotz unentwegt steigender Löhne (wodurch die Lohn-Preis-Spirale und somit in Inflation immer weiter befeuert wird). Und vor diesem Punkt hat meine Branche Angst - und warnt zurecht. Addieren wir zu diesen 12% steigende MwSt die steigenden Kosten für Mindestlöhne, Maut, CO2-Steuern, kommunale Abgaben, usw., werden es am Ende des Tages nicht 12%, sondern eher 15% und mehr sein. 15% mehr für beispielsweise ein Schnitzel. Aus EUR 15,00 werden also 17,25. Auf diesen gefährlichen Cocktail hatte ich bereits zuvor hingewiesen.
Um den Schnitzelpreis (oder was auch immer) abzufedern, wird man den Preis für selbiges nicht ganz so dramatisch erhöhen, sondern einen Teil per Erhöhung der Getränkepreise umlegen. Schlussendlich kommt es aber auf das Gleiche heraus: der Gast zahlt (noch) mehr. Als ich im Juni 2015 das Wellnitz eröffnet habe, kostete (mein Lieblingsbeispiel) der Cappuccino EUR 2,50. Ab Januar 2024 werden vermutlich EUR 4,00 nicht reichen. Das ist absoluter Wahnsinn!
Der Staat schröpft uns. Jeden von uns. Und würgt dadurch die Wirtschaft ab, anstatt sie zu fördern.
Die 19% statt 7% MwSt treffen nicht direkt uns Gastronomen, sondern die Verbraucher - unsere Gäste. Deswegen gehen wir auf die Barrikaden und kämpfen darum, dass ihr auch in Zukunft unsere Gäste bleiben könnt. Denn ohne Gäste keine Gastro. Das ist der zweite Teil der einfachen Gleichung.
Das alles ist extrem verdrießlich! Könnte ich, ich würde umgehend hinschmeißen und etwas anderes tun. Vielleicht mache ich auch einfach zu. Dann wäre ich (um es mit unserem Wirtschaftsminister zu halten) nicht mal insolvent, sondern würde nur keine Cocktails mehr verkaufen.
Stefan Zitzmann ist Vorstandsmitglied der MIT-Darmstadt und Betreiber des Wellnitz in Darmstadt.